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Society and Technology Research Group / Daimler AG

Unser heutiger Lebensraum ist eine verdichtete Kulturlandschaft. Besonders im urbanen Raum ist durch den menschlichen Gestaltungswillen ein Umfeld entstanden, das den Wunsch nach einem komfortableren Lebensstil dokumentiert.

Auch das Streben nach uneingeschränkter und individueller Mobilität hinterlässt seine Spuren im öffentlichen Raum und in den Regeln, die sich über Generationen für unser Zusammenleben gefestigt haben.

Öffentlicher Raum hat für alle akzeptabel zu funktionieren und individuelle Bedürfnisse sollten automatisch Rücksicht auf die Öffentlichkeit nehmen.
Die Bedeutung, die wir heute der individuellen Mobilität einräumen hat sich tief in die Stadtbilder „eingegraben“. Verkehrsinfrastrukturen bestimmen die Layoute der Stadt und die Fahrbahnen unseres Individualverkehrs hatten oft höchste Priorität in der Stadtentwicklung.

Phänomen Auto

Das Automobil ist eine unverzichtbare „Erweiterung“ unseres Körpers geworden. Seitdem dieses Produkt für fast jeden erschwinglich geworden ist, gehört es zu unserem Leben wie die eigene „Behausung“.
Das Auto als gesellschaftliches Phänomen ist aber mit kaum einem anderen Produkt (in den Industriestaaten) zu vergleichen. Es handelt sich hier um ein irrational überhöhtes Produkt, oft anachronistisch zum realen Umfeld und dramatisch romantisiert.

Eigentlich könnte man das Auto auch „nur“ als Hülle um das eigentliche Bedürfnis der komfortablen Mobilität sehen und somit zu effizienteren Verkehrskonzepten und lebenswerteren Städten gelangen. Liebgewonnene Gewohnheiten und tradierte Vorstellungen sind dann in Frage zu stellen und zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen sind ernst zu nehmen, nur so kommen wir in Richtung zukünftiger, lebenswerterer Umwelt wieder in "Bewegung"...

 

Historie und Zukunft

Im Vergleich zur Dauer der Kulturgeschichte des Menschen ist der Zeitraum, indem wir uns mit Hilfe von Maschinen fortbewegen, geradezu ein Ereignis mit Neuigkeitswert. Trotz dieser vergleichsweise kurzen Zeit des Entwickelns und Gebrauchens von Eisenbahn, Auto oder Flugzeug haben diese Produkte unsere Umwelt deutlich dominiert und tragen heute sogar zu einem großen Teil zur Verursachung des ökologischen Kollapses bei.

Widmete man sich im ersten Schritt der Technikentwicklung der Maschine selbst, so wird ein Produkt heute in einem komplexen Umfeld von Anforderungen weiterentwickelt.
Der Öko-Footprint eines Stücks argentinischen Rindfleisches hat mit den Qualitäten des eigentlichen Produktes, z.B. mit dem Geschmack, nichts zu tun. Ein Produkt „im Einklang“ mit der Umwelt zu entwickeln, ist heute vielschichtiger und anspruchsvoller, als in den Anfängen der Industriekultur.

Das "Wie"

Technologische Innovation und soziale Innovation wird auf absehbare Zeit nur als Einheit bewertbar sein, denn nicht alle Technologien können wir uns global ausgerollt leisten und noch dringlicher müssen soziale Entwicklungen und Kundenbedürfnisse mit besonderen, nachhaltigen Technologien befriedigt werden. „Was“ ein Produkt kann, wird in der Bedeutung für die Märkte stärker abgelöst, durch die Frage: „Wie“ es das, was es macht, macht.

Die Auslastung von Antriebstechnologien, deren Wirkungsgrad, und deren Betriebskosten sind Wettbewerbsvorteil in einem von einer ökologischen Debatte dominierten Markt. Doch selbst die Herausforderung der Deckung des Energiebedarfes der Zukunft ist eine Frage nach dem "Wie". Die Bedrohung des ökologischen Gleichgewichtes wird hauptsächlich bestimmt durch die Art und Weise, wie wir Energie gewinnen, nicht dadurch, dass wir immer mehr Verbraucher haben werden.

Software

Hardwareanforderungen bestimmen in unserer industriellen Welt weitgehend die Anstrengungen nach effizienterem Umgang mit Ressourcen. Für die Elektromobilität sowie für die Brennstoffzelle wird das Gesamtsystem von Antriebstechnik, Energiespeicherung und Netzanbildung in den Fokus rücken. 
Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass sich eine etablierte Logistikstruktur von Zulieferern und Dienstleistern verändern wird, wer heute Auspuffanlagen oder Zylinderköpfe fertigt, wird an der Elektromobilität nichts mehr verdienen.

Die Potenziale neuer Dienstleistungen, smarter Softwarefeature oder neuer Formen des Lebensstils sind aber bestimmt ein noch größerer Hebel, um zukünftige Lebensqualität zu schaffen. Digitale Services und Softwaretools können Schwächen oder Wettbewerbsnachteile der neuen Technologien von vornherein ausgleichen. Die Leistungsfähigkeit moderner Hardware und Software sowie globale Vernetzung sind am Ende der wesentliche Unterschied zur Entwicklungsumgebung des Verbrennungsmotors vor über 150 Jahren.

 

Der Traum von Freiheit

In der automobilen Gesellschaft finden wir den kollektiven Traum der grenzenlosen Bewegungsfreiheit und die Vision, an jeden Ort der Welt gelangen zu können. Das Auto ist "die Erweiterung unseres Körpers", die Straße ist "die Versprechung".
Dieser Wunsch ist erstaunlicherweise auch in Zeiten von Staus, Parkplatzknappheit und Mautpflicht lebendig. Vergleicht man die Visionen aus unterschiedlichen Zeiten, ist die Deckungsgleichheit in den bunten Animationen erstaunlich.

Natürlich sind die Straßen immer leer, die angekündigten Reiseziele existieren für uns nur solange, wie sie auf den Beschilderungen vorkommen und überdimensionale Pfeile halten uns in Bewegung.

Unsere heutige "Freiheit" scheint im Kontext des verdichteten Individualverkehrs aber doch nur daraus zu bestehen, den farbig unterlegten Verkehrsempfehlungen zu folgen.

Der Traum von Kontrolle

Als Beweis, dass wir es sind, welche die Richtung bestimmen, sehen wir uns "von oben" beim Lenken zu. Wir kontrollieren die Welt mit uns im Mittelpunkt des Geschehens.
 
Doch irgendwie übernimmt der Technik Meter um Meter das Kommando. Wir nennen das Ziel, doch die Rechenzentren entscheiden über den Weg. Heute ist es eine Empfehlung, morgen vielleicht der einzig für uns freigegebene Weg ?!

In früheren Zeiten orientierte man sich an der Landschaft und am Sonnenstand bzw. der Himmelsrichtung. Dabei kam man oft in Kontakt mit anderen Menschen, die vorgaben, den Weg zu kennen und der Horizont war die Begrenzung unseres Gesichtfeldes.
Heute sehen wir uns in Echtzeit in Bewegung, die Ankunftszeit verspricht Minutengenauigkeit und der nächste Abzweig folgt in 150 Metern - wo wir auch immer gerade sein mögen.

Der Traum nach Unabhängigkeit vom Ort

Der moderne Mensch ist mobil. Paris, Singapur, Wanne-Eickel. In unserem heutigen Alltag hindert uns das aber nicht, gleichzeitig online in Seattle ein Bewerbungsgespräch zu führen oder den Daheimgebliebenen eine gute Nacht zu wünschen. Wir sind am Liebsten überall.
So ist sehr leicht zu erkennen, dass wir uns mit Technologie und Lebensstil vom Ort emanzipiert haben.

Jetzt wird klar, Mobilität ist heute eine reale Bewegung mit Automobilen, Flugzeugen, Schnellzügen, kombiniert mit einer virtuelle Präsenz auf einer "Reise" von Chat zu Chat. Mobilität der Zukunft wird so vielleicht die Verschmelzung von realer und virtueller Bewegung sein. Die reale Bewegung mit dem Auto wird viel stärker auf die Nutzung ausgerichtet sein (den realen Ortswechsel), als auf den Besitz oder den Status des Automobils.

Ergebnis